Die Akaflieg feiert 100 Jahre

,


Gegründet wurde die Akaflieg 1909 durch einen einfachen Aushang: Der Student Roland Eisenlohr hängte einen kleinen Zettel an das Schwarze Brett der Freistudentenschaft an der Königlichen Technischen Hochschule Charlottenburg, um die „fliegerisch interessierten Studenten zusammenzuholen“. Mit Erfolg: Bereits im darauffolgenden Winter konstruierte und baute die Gruppe einen Gleitdoppeldecker, mit dem sie in Bork bei Beelitz diverse Probeflüge unternahmen. 


1922: Aufstieg mit Charlotte

Über das Schicksal der Gruppe im Ersten Weltkrieg ist dagegen nichts bekannt. Nach Kriegsende untersagte der Versailler Vertrag zunächst jeglichen Motorflug. Es dauerte bis zum 7. Mai 1921, als 20 flugbegeisterte Studenten die Akaflieg wiederbelebten. Ziel war es, sich an dem für August 1922 geplanten ersten Segelflugwettbewerb nach dem Ersten Weltkrieg in der Rhön zu beteiligen – und zwar mit einem selbst konstruierten schwanzlosen Flugzeug, das die Bezeichnung B1 erhielt und nach dem Heimatbezirk Charlottenburg der TH auch Charlotte genannt wurde.

Die Charlotte ist nur ein Beispiel dafür, dass die Akaflieg seit ihrer Gründung immer wieder Forschungsaufgaben übernahm und sich sowohl theoretisch als auch praktisch intensiv mit der Entwicklung und dem Bau von Flugzeugen beschäftigte. Der erste Versuch war jedoch nicht von großem Erfolg gekrönt: Die Flieger hatten nicht genügend Zeit, sich mit den Bewegungsabläufen der schwanzlosen Charlotte vertraut zu machen. Die Folge: Beim Wettbewerb stürzte das Flugzeug aus acht Metern Höhe ab, der Pilot blieb jedoch unverletzt. Es sollte nicht die einzige Bruchlandung in der 100-jährigen Geschichte der Akaflieg bleiben. Mangels Geld für den Rücktransport mussten die Studenten ihre Charlotte auch noch zu Fuß von der Rhön nach Berlin bringen. Diese Leistung brachte sie immerhin mit Bild in die „Vossische Zeitung“.

 

1924: Niedergang mit dem Teufelchen

Doch davon ließen sich die Flugbegeisterten nicht entmutigen: Die Charlotte wurde in der eigenen Werkstatt unter dem Dach der Hochschule repariert und ihre Konstruktion verbessert. Somit konnte die Akaflieg am nächsten Rhön-Wettbewerb 1923 wieder teilnehmen. Doch auch dieser endete für die Berliner mit einem Absturz und für den Piloten mit einem vierwöchigen Krankenhausaufenthalt. Die nächste Flugzeugproduktion der Akaflieg hieß „Teufelchen“ (B 2) und war ein Flieger in Holzbauweise, für den sie 1924 beim Küstensegelflug im ostpreußischen Rossitten sogar einen Preis für die beste Konstruktion gewann. Trotzdem endete der Erstflug der B2 mit einer Bruchlandung auf dem Wasser, die den Niedergang der Gruppe einleitete.


 1926: Fliegen für den US-Militärattaché

Die zweite Neugründung der Gruppe erfolgte 1926. Die neue Akaflieg beteiligte sich an Forschungsarbeiten und Untersuchungen, Schulungen im Motorflug, an Segelflugwettbewerben und Bauausschreibungen. Der Schwerpunkt verschob sich weg vom Segel- hin zum Motorflug. Schon bald konnte die Akaflieg eine Albatros L 68a mit Sternmotor anschaffen. Außerdem erhielt sie von dem damaligen amerikanischen Militärattaché Major Geo E.A. Reinburg den Auftrag, dessen Heinkel HD 22 zu warten und zu fliegen. Der Lohn dafür waren nicht nur unzählige Flüge, sondern zusätzlich 100 US-Dollar monatlich.


 1930: Mit Motorkraft bis Kopenhagen, Wien und Prag

1930 richtete die Gruppe in einer Halle in Adlershof eine neue Werkstatt ein. Außerdem konnte sie ihren Flugzeugpark um eine Messerschmitt M 23 und später um eine Junkers Junior A 50 erweitern. Mit letzterer unternahmen die Flugbegeisterten Überlandflüge bis Kopenhagen, Wien und Prag. Der Motorflug, so faszinierend er war, forderte jedoch seinen Tribut. Allein im Jahresbericht von 1930/31 beklagt die Akaflieg den Tod zweier Piloten. Um die Vereinskasse aufzubessern, startete die Gruppe 1933 zu einem Reklameflug. Die am Flugzeug befestigten Fahnen erwiesen sich jedoch als zu schwer. Einem Motorausfall über Wedding folgte die Notlandung auf einem Kranausleger am belebten Nordufer. Der Pilot wurde nur leicht verletzt.

Im April 1933 entzog die NS-Regierung den deutschen Akaflieg-Vereinen die staatliche Unterstützung, da sie nur noch die Flieger-SA fördern wollte. Mangels Geldes musste die Akaflieg ihren Flugbetrieb einstellen. Doch schon ein Jahr später wurde die Flugtechnische Fachgruppe (FFG) als Nachfolgeorganisation gegründet, die in den Folgejahren erfolgreich verschiedene Segelflugzeuge konstruierte und baute. Die FFG schlüpfte unter das Dach der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt e. V. Berlin-Adlershof, um sich nicht dem nationalsozialistischen Fliegercorps anschließen zu müssen. 1938 wurde die FFG jedoch der Kameradschaft 18 des NSD-Studentenbundes angegliedert.


 1938: Fliegen fürs Kino, Forschen für die NS-Luftwaffe

Zu den Höhepunkten des Jahres 1938 gehörte ein finanziell attraktiver Auftrag der TOBIS-Filmgesellschaft. Die damals berühmte Schauspielerin Anny Ondra (die Frau des legendären Boxers Max Schmeling) sollte während einer Schussfahrt in den Dolomiten mit einem Skigleiter

vom Boden abheben. Den Luftsprung unternahm an ihrer Stelle Vereinsmitglied Jörg Schuchardt, während Anny Ondra mit Flügeln an einem Kran hängend in gefilmt wurde.

Bei ihrer Entwicklungsarbeit achtete die Akaflieg zunehmend darauf, der Luftwaffe und der Militärtechnik zu dienen. Ein Beispiel hierfür war die B9, ein Versuchsflugzeug mit liegendem Piloten. Bei Angriffsflügen mit Sturzkampfflugzeugen der Luftwaffe waren Piloten kurz nach der Landung tot zusammengebrochen. Es stellte sich heraus, dass ihre Nieren die hohen Beschleunigungen nicht ausgehalten hatten und abgerissen waren. In liegender Position wurden die Nieren lediglich gegen die Bauchdecke gepresst – ohne gesundheitliche Folgen. Die jungen, passionierten Piloten der Akaflieg zogen in den Krieg, überzeugt davon, dass sie ihr fliegerisches Können unter Beweis stellen sollten. Sie wollten fliegen, neue Maschinen erproben und siegreich zurückkehren.


1950: Bauen in Berlin, fliegen im Exil

Nach dem Kriegsende dauerte es bis zum 15. November 1950, als die Akaflieg in der Teestube der Taberna Academica des Studentenhauses in der Hardenbergstraße wiedergegründet wurde. Der Bau und die Benutzung von Segelflugzeugen blieben laut alliiertem Kontrollratsbeschluss verboten, weshalb die Akaflieg nach Westdeutschland ausweichen musste: Zum Exilflugplatz für die Berliner wurde Braunschweig-Waggum. Mit ihrer Beteiligung an den deutschen Segelflugmeisterschaften 1955 trat die Akaflieg Berlin erstmals wieder in die Öffentlichkeit.

1956 gründete die TU die Lehrstühle für Flugzeugbau und Luftfahrzeugführung, womit auch bei den Studierenden das das Interesse an der Fliegerei wuchs. Folglich verzeichnete auch die Akaflieg einen verstärkten Zulauf. Dank vieler Spenden konnte sie sogar eine Seilwinde mit einem 120 PS-starken Maybachmotor anschaffen, mit dessen Hilfe die Segelflugzeuge fortan in die Luft gezogen wurden. 1962 zog die Akaflieg aus finanziellen Gründen von Braunschweig nach Ehlershausen bei Celle um, wo die Mitglieder unter größten Anstrengungen in Eigenarbeit einen Flugplatz einschließlich Hallen errichteten. Parallel dazu lief in Berlin die Entwicklung weiter, darunter die eines schwanzlosen Flugzeugs, mit dem die Akaflieg an die legendäre Charlotte anknüpfen wollte. Anders als diese gelang es der B11 aber nicht, sich in die Lüfte zu erheben; sie wurde eingestampft.


1981: Der Versuch, Motor- und Segelflug zu vereinen

Das nächste Projekt, der Bau eines Doppelsitzers (B12), wurde zunächst wegen alliierter Vorbehaltsrechte untersagt. Erst nach langwierigen Verhandlungen erhielt die Akaflieg die nötige Genehmigung der Britischen Militärbehörde. 1978 hob die B12 erfolgreich ab. Beflügelt von diesem Erfolg, startete die Akaflieg 1981 ein weiteres Prestigeprojekt, den Bau eines Doppelsitzers mit Hilfsantrieb (B 13). Dabei waren vielfältige Probleme bei der Aerodynamik und Flugmechanik, den Hybridwerkstoffen und der Integration des Hilfsantriebs in die Flugzeugzelle zu lösen. Trotz jahrelanger Arbeit konnten diese nie restlos gelöst werden. Die B13 wurde deshalb ausschließlich als Segelflugzeug genutzt.


1994: Rückkehr aus dem Exil nach Brandenburg

Wende und Wiedervereinigung ermöglichten es der Akaflieg, aus dem Exil zurückzukehren. Schon 1990 begannen die Mitglieder, sich nach einem geeigneten Gelände für einen Flugplatz in Brandenburg umzusehen. Fündig wurden sie in Kammermark bei Pritzwalk in der Prignitz. Um den dortigen Gutshof zu sanieren und auf dem Gelände einen Flugplatz zu errichten, gründeten die Altdamen und Altherren hierzu eigens die Akademische Fliegervereinigung Berlin e. V. Durch ihren Einsatz gelang es innerhalb eines Jahres, den Schafstall in eine Flugzeughalle umzufunktionieren und das Gutsgebäude mit einem Heizungs- und Wassersystem auszustatten. Darüber hinaus wurde das Gelände für den Flugbetrieb eingeebnet, die Start- und Landebahn markiert, ein Flugleitungsraum eingerichtet und Telefonleitung sowie Funkgeräte installiert. Am 31. März 1994 erhielt die Akaflieg die Erlaubnis zur Betriebsaufnahme, und am 2. April 1994 hob in Kammermark erstmals ein Flugzeug ab.

Unter dem Motto „Für diejenigen, die nach uns kommen“, feiert die Akaflieg ihr 100-jähriges Bestehen am Samstag, 6. November, ab 9 Uhr im Café Campus der Technischen Universität am Ernst-Reuter-Platz.