Ursprünglich im Segelflugmagazin „Lilientaler“ erschienen, beschreibt dieser Artikel in einigen Absätzen die letzten hundert Jahre der Akaflieg Berlin bis ins Jahr 2009. Die Hintergründe und Geschichten stammen aus dem Buch „100 Jahre Akaflieg Berlin„, das bei Interesse bei uns gerne angefragt werden kann. Online finden Sie hier viele weitere Informationen oder kontaktieren Sie uns!
Artikel 100 Jahre Akaflieg Berlin
Wer kann sich vorstellen ein abgestürztes Flugzeug hundertfünfzig Kilometer nach Hause zu schieben? Oder dem ausdrücklichen Verbot zum Trotz heimlich an einem Flugzeug zu bauen? Wer würde entgegen aller Wahrscheinlichkeiten weiter für den Traum zu Fliegen kämpfen?
Der studentische Flugverein Akaflieg Berlin überwand in seinen hundert Jahren Geschichte einige Hürden; Neben Fragen wie der Finanzierung, dem Platz der Werkstatt und des Flugplatzes, hatten die Studenten auch mit Flugverboten, dem politischen Druck der dreißiger Jahre, zwei Weltkriegen und der deutschen Teilung zu kämpfen. Heute findet man die Flugbegeisterten auf dem SeverinGelände der TU Berlin am werkeln, auf dem Flugplatz in Kammermark am Fliegen oder gelegentlich auch mal in der Uni am Studieren.
Was heute als selbstverständlich gilt, war nicht immer so. 1909 zeichnete sich an der Königlich Technischen Hochschule zu Berlin das erste Mal eine akademische Fliegergruppe ab. Vom Studenten Roland Eisenlohr gegründet ist nicht viel über die „Gruppe für Luftfahrt“ bekannt. Der Erste Weltkrieg brachte sie zu einem Stopp, besonders junge Männer mit Flugerfahrung wurden eingezogen und viele kehrten nicht zurück.
1920 gründeten Hermann Winter und weitere fluginteressierte den Verein neu; Sie flogen nun in
Segelflugzeugen, denn das Motorfliegen war durch den Versailler Vertrag in Deutschland verboten worden. Mit Unterstützung des Professors Parseval und Dr. Ing. Wilhelm Hoff konnte „Charlotte“ zum ersten Mal am Rhön-Wettbewerb teilnehmen. Die markante Silhouette des Nurflüglers ist uns aus dem Symbol der Akaflieg bekannt, wie es 1933 eingeführt wurde. Sie stürzte jedoch schon kurz nach dem Start ab, der Pilot blieb unverletzt. Ihr Wrack schoben die Studenten auf einem selbstgebauten Zweiradkarren sich abwechselnd immer zu dritt zurück nach Berlin.
Als die Erfolge ausblieben, stand es schlecht um die Studentengruppe. Kurz vor dem Aus gelang es 1927 ihr neues Leben einzuhauchen mit dem Fokus auf Motorflugzeugen; Die Freude und das sichtliche Engagement der Studierenden brachten zusätzlich Sponsoren und die Flugzeughalle in Johannistal wurde gefüllt und schon bald erweitert.
Nebenbei konstruierten sie das „Volksflugzeug“ (B4), deren Bau sich in die Länge zog. Die Werklustigen sie nannten humorvoll die „FF“, die fast fertige Maschine. Die Arbeit zahlte sich aus, als die Studenten einen Wettbewerb gegen einen weiteren Entwurf gewannen.
Als 1933 der Staat seine Mittel entzog, da nur noch die Flieger-SA gefördert werden sollte, musste der Flugbetrieb ab November des Jahres gezwungenermaßen eingestellt werden. Die Flugzeuge wurden abgegeben, eine Nachfolgeorganisation, die flugtechnische Fachgruppe (FFG) kämpfte hart um einen Werkstattplatz und um ihre Flugzeuge; Was blieb waren das Motorflugzeug Argus-Klemm und sie erhielten das neue Segelflugzeug Rhönbussard, es folgten drei Segelflugzeuge in Eigenkonstruktion.
Während der dreißiger Jahre stieg auf Vereine der Druck, sich der nationalsozialistischen Ideologie
zu verpflichten, dem sich die Studenten widersetzten; ab 1939 stellte der Zweite Weltkrieg die gesamte Welt auf den Kopf. Das Fliegen wurde begrenzt und erneut viele junge Männer in den Krieg einberufen. Die Verbliebenen bemühten sich um den Bestand der Gruppe bis zum ungewissen Ende des Krieges. Der Bau zweier Motorflieger begannen in der Kriegszeit, die B9 und die B10 wurden von der Luftwaffe mit Interesse beobachtet. Vor Ende des Krieges waren endgültig alle Mitglieder eingezogen worden und der deutsche Flugsport fand ein vorläufiges Ende.
1950 war die Neugründung der Akaflieg möglich, nicht jedoch der Bau oder die Benutzung von
Segelflugzeugen in Berlin. Die Mitglieder unter Anleitung Willy Stiebelers hielt dies jedoch nicht
auf einen Doppelsitzer Mü 13E heimlich und notdürftig in einem Werkstattraum in Tempelhof
nachzubauen. Der „Bergfalke“ machte 1954 als Spielzeug deklariert in Holzkisten per Luftbrücke
seinen Weg nach Westdeutschland zum Exilflughafen der Berliner, nach Braunschweig-Waggum.
Die Gruppe wuchs, schloss sich der IDAFLIEG an und wurde gemeinnützig. 1957 fanden sie einen neuen Werkstattraum. Die geplante Konstruktion einer Winde wurde im selben Jahr umgesetzt: ein alter 120 PS Maybachmotor auf einem Opel-Blitz-Fahrgestell und ein Seilrückholwagen waren die letzten Puzzleteile, um den Segelflug nach sieben langen Jahren zu ermöglichen; Man musste nur aufpassen die Zonengrenze nicht zu überfliegen, um nicht mit Pech einige Tage im Gefängnis von Bautzen zu verharren. Als die Berliner neben der Werkstatt auch ihren Flugplatz aufgeben mussten, wichen sie auf einen 250 Kilometer entfernten Flugplatz ohne Infrastruktur in Ehlershausen aus. So begann der Bau von Unterkunftsbaracken, Winden- und Flugzeughallen, wovon die Studenten anfänglich noch nicht viel verstanden. Mit einiger Unterstützung und viele Baustunden später stand noch im selben Sommer die erste Halle, sodass im August der erste Groß-Flugtag stattfinden konnte.
Nach langen Verhandlungen mit der TU stand auch einer Akaflieg-Werkstatt am Luftfahrtinstitut nichts mehr im Wege. Und neben all der Bauerei trieben die Studenten noch die Flugzeugprojekte voran, das neue Sorgenkind war die B11, ein Nurflügler, deren Fertigstellung sich in die Länge zog. Ab 1969
arbeiteten die Studenten an dem Doppelsitzer, der B12. Noch heute ist das Flugzeug, wenn auch
selten, am Himmel zu entdecken.
Es bildete sich ein Vereinsleben aus, das gekennzeichnet war vom Besuch verschiedener Lehrgänge, der erfolgreichen Teilnahme an Wettbewerben und von Fliegerurlaub bei verschiedenen Akafliegs in ganz Deutschland und in Nachbarstaaten, in verschiedenen Landschaften und Wettergegebenheiten; Zum Beispiel die Alpensegelflugwoche in Graz oder an den vielen IDAFLIEG-Treffen, deren Standort immer wechselte, oder es wurde nur gefeiert, wie zum jährlichen PFG-Treffen der Akaflieg in Kopenhagen.
Selbst den „eiserne Vorhang“ des Kalten Krieges durchbrachen die Akaflieger, indem sie Kontakte zu dem Verein in Polen aufnahmen. Es entstand eine Gemeinschaft und Kameradschaft in und zwischen den Vereinen, wie wir sie noch heute kennen. Und neben all den großen Bauprojekten und den Veranstaltungen nicht zu vergessen sind die Arbeiten an den eigenen Segelflugzeugen, die Wartung und die Forschung der Akaflieg. „Hier stehen Theorie und Praxis stehen im engsten Zusammenhang“, schrieb Prof. Dr. Ing. Gasch.
Die neue Werkstatt am Salzufer wurde 1983 ausgebaut und bezogen, bei der das Können der Altherren, erworben aus dem Aufbau Ehlershausens, die Renovierung vorantrieb. Um das Gewicht des anstehenden Flugprojektes zu stemmen, der B13 mit unterstützendem Elektromotor für den Ausgleich schlechter Thermik, entstand in Eigenbau in den 80ern die Winde, die heute noch treu Flieger in den Himmel setzt. Nach dem Mauerfall fand sich ein alter Gutshof in Pritzwalk, den die „Flugplatzsuchgruppe“ durch Auf- und Abfahren der Prignitz entdeckte. 1994 war das erste reine Segelfluggelände in Brandenburg nach der Wende fertiggestellt und so ist das Bild der heutigen Akaflieg, abgesehen von Weiterentwicklung und Verbesserungen, vollendet
Die Dreifachbelastung Studium-Geldverdienen-Segelfliegen nehmen die Aktiven in Kauf, um ihrer
Leidenschaft nachzukommen. Mit der Unterstützung von Professor:innen, Altherren und -damen,
Spenden von Unternehmen und Privatleuten, unter ständigem Dazulernen und durch den starken
Willen der Mitglieder ist die heutige Akaflieg Berlin entstanden. Das aktuelle Projekt, die B14,
könnte von „Charlotte“ wohl nicht unterschiedlicher sein, und doch wäre sie ohne das erste AkaFlugzeug, das vor hundert Jahren entwickelt wurde, wohl nie entstanden.