Ein Handschuh für den Twin

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Vergangenen Sonntag wurden mit dem Messhandschuh wieder Messungen durchgeführt. Nach Ende des regulären Flugbetriebs starteten zwei Experimentgruppen, um ihre Versuche zu absolvieren.

Messtag

Als erstes wurde das Sondermessprojekt Piezo-elektrische Fahrtmessung (ehem. akustische Fahrtmessung) in die Luft gebracht. Das Projekt bietet eine alternative Methode zur Bestimmung der Fahrt, d.h. die Geschwindigkeit eines Segelflugzeugs relativ zur umgebenen Luftmasse. Dazu soll die Bewegung eines Drahtes durch die Luftströmung ausgewertet werden. Seit den akustischen Messungen beim Idaflieg Sommertreffen 2021 auf dem Dach unseres Vereinsautos hat sich viel getan: Statt der Aufnahme von Tönen, die der Draht durch periodische Strömungsablösungen erzeugt, werden nun die mechanischen Schwingungen des Drahtes gemessen. Hierzu wird ein Piezo-Kristall verwendet, der die periodischen Bewegungen in Spannungen umwandelt. Aus der Schwingung kann über eine Fourier-Transformation auf die Geschwindigkeit zurück geschlossen werden.

In den Flugversuchen wurden verschiedene Geschwindigkeiten (80 bis 150 km/h in 10 km/h Schritten) aus dem Windenstart erflogen und für jeweils 10 Sekunden konstant gehalten. Anschließend wurden verschiedene Beschleunigungen getestet, um die Trägheit des Systems zu ermitteln. Zur Überprüfung der Ergebnisse war ebenfalls ein Prandtl-Rohr für Staudruckmessungen am Messhandschuh angebracht. Während des Fluges konnte ein Besatzungsmitglied in Echtzeit die Geschwindigkeit mitverfolgen.  Dieses Verfahren soll eine direkte und vom Anstellwinkel unabhängige Messung des sogenannten True Air Speed (der wahren Fluggeschwindigkeit) ermöglichen.

akustische Fahrtmessung auf dem SoTre 2021

Des weiteren führte eine Studierendengruppe Versuche zur Transitionslagenbestimmung (Umschlagspunkt von laminarer zu turbulenter Strömung an der Grenzschicht des Flügelprofils) durch. Für die Messung nutzen sie aus, dass Luftströmung einen kühlenden Effekt hat (im Wind fühlt sich die Temperatur niedriger an). Zur Ermittlung der Strömungsgeschwindigkeit soll nun ein geheizter Draht an der Oberfläche des Handschuhs eine konstante Temperatur beibehalten. Zum Ausgleich der Kühlung durch den Fahrtwind wird Strom benötigt, der in hoher Frequenz gemessen wird, sodass kleinste Geschwindigkeitsänderungen erfasst werden. Hieraus kann auf den Zustand der Grenzschicht rückgeschlossen werden.

Zulassung

Die erste Hürde noch vor den Flugversuchen war die Zulassung bei der EASA. Ursprünglich war der Messhandschuh als Änderung am Stück nur für den Twin II D-3056 zugelassen, weshalb nur dieses spezifische Flugzeug mit den Handschuh fliegen durfte. Es war jedoch klar, dass wir auf unserem eigenen Twin II D-8729 (CF) Versuche fliegen wollten. Daher wurde, während die Messungen vorbereitet wurden, auch an der Zulassung gearbeitet. Mit Erfolg: Nach einigen Wochen Austausch mit dem LBA und der EASA ist der Messhandschuh nun auf europäischer statt nationaler Ebene als ergänzende Musterzulassung zugelassen, sodass nun jeder Twin II mit den entsprechenden Seiten im Handbuch den Handschuh tragen dürfte.