Tobias studiert im dritten Semester Wirtschaftsingenieur- und Verkehrswesen an der TU Berlin und hat in diesem Herbst an unserem „Hertellehrgang“ teilgenommen. Der hat ihm so gut gefallen, dass er gleich danach in unseren Verein eingetreten ist. Jetzt hat er für uns aufgeschrieben, wie er die zwei Wochen erlebt hat:
Fliegen, Flugzeuge und Brandenburg: eine eher untypische Beschreibung der vorlesungsfreien Zeit.
Dennoch kann ein bunt durchmischter Haufen von 14 Studenten und Berufstätigen, ich gehöre dazu, genau das behaupten. Vom 08.09 – 24.09. hatten wir das große Glück an dem diesjährigen Anfängerlehrgang der Akaflieg Berlin teilzunehmen und ein erstes Gefühl zu bekommen, was es heißt, Pilot/Pilotin zu sein. Einige mit dem Anspruch den ersten Alleinflug zu schaffen, andere um einfach den Spaß an der Sache zu genießen.
Auch wenn das Wetter nichts Gutes versprach, wurde nur ein einziger Tag im Vereinshaus in Kammermark verbracht. Den haben wir der Flug-Theorie, dem gemeinsamen Zusammensitzen und Quatschen, Tischtennis- und Billardspielen gewidmet haben – Langeweile: Fehlanzeige! Für einige wenige endete der Tag im verzweifelten Lernen für die letzten bevorstehenden Klausuren. Nur als Warnung für mögliche Interessierte: Es ist einfach nicht möglich!! (Eigenerfahrung)
Spätsommerliches, fliegbares Wetter
Das große Glück mit dem Wetter und den damit einhergehenden schönen Spätsommertagen, sorgte für durchgehend gute Laune, die selbst das Schieben der Flugzeuge (zurück zum Start nach den teilweise sehr langen Landungen) erleichterte. Gesänge und Sprechchöre führten zu wahrer Team- und spaßiger „Fronten“- bildung zwischen den beiden zugeteilten Flugzeuggruppen: Charlie India und Charlie Tango (oder auch „Cindy“ und „Chantal“). Eine für mich sehr unerwartete Entwicklung schließlich kannte ich vorher keinen der 14 „Heinzels“ (Hertel-Teilnehmer). Von Lebenskünstlern/Schauspielern, über Foodsharer und Weltreisende, zu Pilzesammlern war alles am Start und verstand sich von Anfang an einfach super!
Ob zusammen beim Singen und Gitarre spielen, währenddessen die ersten Thermik-Flüge von statten gingen, beim abendlichen Zusammensitzen am wärmenden Kaminfeuer oder an einem der feuchtfröhlichen Partyabende in der Windenhalle (Bergfest und Abschlussabend).
Kulinarische Weiterbildung inklusive
Ja, „Kammermark-Castle“ bot so einiges! Einerseits die schon erwähnten Möglichkeiten zum Zeitvertreib, andererseits total ausreichende Jugenherbergs-/Hostelähnliche Schlafeinrichtungen und eine sensationelle Küche, die jeden Abend Speisen für bis zu 40 hungrige Flieger*innen auf den Tisch zauberte. Für so eine Menge Menschen hatte noch keiner von uns gekocht, und ich ging die Sache ehrlich gesagt etwas skeptisch an. Total unberechtigt, denn in Zusammenarbeit zwischen Akafliegern und Heinzels entstand das eine oder andere tolle kulinarische Erlebnis: ob Schnitzel, Chili con Carne oder Spätzle; selbst die Vegetarier kamen nicht zu kurz!! Als Veganer hätte man es nicht so einfach gehabt, aber auch da hätte es definitiv Lösungen gegeben.
Sowieso sind alle sehr rücksichtsvoll und hilfsbereit miteinander umgegangen. Segelfliegen, bzw. Vereinsfliegen ist eben auch ein Teamsport, was uns während der zwei Wochen sehr deutlich klar geworden ist. Ohne die Hilfe der anderen, ob Schieben, Winde fahren oder einen Einklinker kommt man einfach nicht in die Luft! Nimmt man sich aus diesem Prozess etwas hinaus, wird einem sehr schnell von den anderen klar gemacht, dass das so in Kammermark nicht funktioniert. An sich verläuft das Zusammenleben von so vielen Leuten natürlich nicht reibungslos, aber klare Absprachen und Aufgabenverteilung ermöglichten einen gut laufenden und vor allem effizienten Alltag, schließlich sollte jeder der Anfänger die 50 Starts vollkriegen.
Ach ja, Starts und das Fliegen:
Einsteigen, im Cockpit zurechtfinden, anschnallen, Vorstartcheck durchführen, Haube zu und Daumen hoch und schon wird man in den blauen Himmel geschossen. Eine atemberaubende und aufregende Erfahrung, die auch nach zwei Wochen Lehrgang nicht gemindert wurde. Einmal in der Luft, wenn einen das leise Rauschen des Fahrtwindes begleitet, ist es einfach ein purer Genuss! Der Ausblick der sich einem bietet und das Gefühl selber dieses Flugzeug steuern zu können ist wirklich überwältigend und einfach schlechtweg mehr als empfehlenswert.
Beeindruckend war für mich auch die Tatsache, dass grundlegenden Steuerabläufe schnell ins Blut übergingen, so dass für vier von uns am Ende des Hertels die ersten Alleinflüge verbucht werden konnten. Wow! Eine schwitzige, mit total weichen Knien verbundene Erfahrung, die einen kaum viel stolzer machen könnte. Auch wenn das Fliegen an sich das gleiche ist, wie jeden Tag zuvor, ist es doch ein Unterschied, wenn von hinten eben keine korrigierenden Kommentare mehr wie: „Mehr Fahrt, wir sind viel zu langsam“ oder „Faden, Faden, Faden“, ertönen bzw. die Sicherheit fehlt, dass da im Notfall noch jemand ist der eingreifen kann.
Es gab natürlich noch viel mehr besondere Erlebnisse, die hier erwähnenswert wären aber den Rahmen sprengen würden, wie Traditionen, außergewöhnliche Filme übers Trudeln etc.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese Zeit für mich, eine der besondersten meines Lebens war und ich kann mit gutem Gewissen sagen, dass es so dem Großteil der Teilnehmer*innen ging. Ich hab mich im Anschluss an den Lehrgang direkt entschlossen in die Akaflieg einzutreten. Ich wurde mit offenen Armen herzlichst empfangen und habe schon meine ersten handwerklichen Erfahrungen in der Werkstatt am Salzufer gemacht und auch die nächsten Flüge in Kammermark absolviert.
Tobias Beelitz